„Es ist das Bohren dicker Bretter“
LL: Franziska, zunächst noch einmal Glückwunsch zum Einzug ins Abgeordnetenhaus. Es war am Ende doch etwas überraschend, obwohl Du als erste Nachrückerin immer damit rechnen musstest, ins Abgeordnetenhaus einzuziehen. Wie war Deine erste Reaktion?
FL: Danke sehr. Als ich den Anruf von unserer Landesvorsitzenden Katina Schubert erhielt, dass Harald Wolf sein Mandat im Abgeordnetenhaus niederlegt, ahnte ich schon, dass eine anstrengende Zeit vor mir liegen würde. Aber ich freute mich auch auf die neue Aufgabe.
Und dann kam mit Corona alles anders. Wenige Wochen nach meiner Mandatsannahme hatte sich das Leben für die meisten von uns grundlegend geändert. Auch die Arbeit im Abgeordnetenhaus ist eine ganz andere als vor der Krise: Es herrschte Notbetrieb. Sitzungen fielen aus oder fanden digital statt. Das macht es für einen Neuling natürlich noch schwerer, sich in die Arbeit einzufinden. Für mich kam erschwerend hinzu, dass die Eröffnung meines Bürgerbüros in Spandau wegen der Kontaktbeschränkungen in weite Ferne zu rücken schien. Glücklicherweise klappte es aber doch noch, im Juni das Büro in der Wasserstadt zu eröffnen.
LL: Wie bist Du denn in die neue Arbeit hineingekommen?
FL: Es war nicht einfach, zumal ich ein einjähriges Kind habe und für dieses bisher noch keinen Kitaplatz hatte. Es gibt zwar eine Kinderbetreuung im Abgeordnetenhaus, aber nur während der Plenarsitzung und den Fraktionssitzungen, komischerweise nicht für Ausschusssitzungen, die bei mir aber auch lange dauern können. Außerdem durften während der Kontaktbeschränkungen überhaupt keine Betreuungspersonen und Kinder ins Abgeordnetenhaus. Anlässlich der Präsenzsitzung zur Wahl unseres neuen Fraktionsvorstands musste ich mich persönlich mit einer dringlichen Bitte an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses wenden, damit ich das Kind mitbringen kann. Sonst hätte ich nicht teilnehmen können und die Pflichten meines Mandats nicht ausfüllen können. Zum Glück konnte ich seine Einwilligung erreichen.
Auch inhaltlich hatte ich viel zu tun und zu lernen. Die Prozesse im Abgeordnetenhaus und einer großen Fraktion sind noch einmal anders und komplexer als in der Spandauer BVV. Und es gab viele wichtige Entscheidungen, zu denen ich mich schnell positionieren musste, etwa die überraschende Neuwahl des Fraktionsvorsitzes, die durch den Rücktritt von Udo Wolf und Carola Bluhm nötig wurde. Oder unsere Reaktion auf die Maßnahmen in der Coronakrise.
LL: Was wurde da debattiert?
FL: Die Fraktion hatte den Anspruch, nicht einfach alle Maßnahmen des Senats ohne kritische Abwägung zu akzeptieren. Es bestand schnell Einigkeit, die Infektionskurve abzuflachen und eine Überforderung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Doch Grundrechtseingriffe wie Versammlungsverbote wollten wir gut begründet und möglichst schnell wieder aufgehoben haben. Gegen eine von der SPD ins Spiel gebrachte Änderung der Berliner Verfassung, um „Notstandsparlamente“ zu erlauben, habe ich mich gemeinsam mit Kolleg*innen meiner Fraktion gleich vehement gewehrt. Auch an der Sinnhaftigkeit der sogenannten „Corona-Klinik“ auf dem Messegelände haben wir angesichts der Probleme, Personal in anderen Krankenhäusern zu finden, zu Recht gezweifelt. Im Gesundheitsausschuss ist das immer wieder Thema gewesen.
LL: Es ist jetzt nur noch ein gutes Jahr bis zur nächsten Wahl. Was möchtest Du – auch mit Deinem Büro – noch erreichen?
FL: Das stimmt. Ich habe nicht viel Zeit, möchte aber wenigstens einiges auf den Weg bringen. Es ist mir ein großes Anliegen für die Spandauerinnen und Spandauer ansprechbar zu sein. Gemeinsam mit meinem Team möchte ich die Fragen, Vorschläge und Initiativen der Bürgerinnen und Bürger aufgreifen und angehen. Das Büro in Hakenfelde soll dabei als erste Anlaufstelle dienen und zu einem Ort des Austauschs werden. Es liegt entfernt zu unseren anderen Büros im Bezirk und hilft hoffentlich, noch mehr Leute anzusprechen. Es gibt auch erste positive Resonanz. So haben mich bereits Eltern der Kita Taka-Tuka-Land im Maselakepark angesprochen. Die Kita ist von der Schließung bedroht, weil der Investor dort bauen will und der Kita einen unmöglichen Mietvertrag angeboten hat. Dieser ist angesichts des vorgeschlagenen Mietpreises eine Frechheit. Wir versuchen nun gemeinsam mit Evrim und der BVV-Fraktion für den Erhalt der Kita zu kämpfen, auch wenn es schlecht aussieht, weil die Kita baurechtlich nicht gesichert ist und der Investor bisher auf unsere Kontaktversuche nicht reagiert hat.
LL: Und was stellst Du Dir parlamentarisch noch vor?
FL: Ausgebildet bin ich Pharmazeutisch-Technische Assistentin und arbeite seit Jahren in Apotheken. Daher sind mir besonders Gesundheitsthemen von großer Bedeutung. Berlin braucht ein gut funktionierendes, für alle zugängliches Gesundheitssystem. Mir liegen unter anderem eine bessere Ausstattung der Krankenhäuser, mehr Personal und die bessere Bezahlung der Pflegekräfte besonders am Herzen.
Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass wir mehr Ärzte nach Spandau bekommen. Meine erste Anfrage im Abgeordnetenhaus handelte daher von der Ärzteversorgung in Spandau. Dabei kam heraus, dass die absolute Versorgung mit Fach- und Hausärzten in Spandau annähernd konstant geblieben ist, durch das Bevölkerungswachstum aber die Versorgung relativ prekärer geworden ist. Außerdem gibt es im Bezirk große Unterschiede in der wohnortnahen Versorgung. Nicht jede*r wohnt in der Altstadt neben einem Facharzt. Im Falkenhagener Feld sieht es dann nämlich schon schlechter aus. Hier muss aus meiner Sicht die Planung runter vom Land auf die Bezirke gebrochen werden. Aber da sind noch dicke Bretter zu bohren, denn die Forderung ist auch nicht unbedingt neu. Doch das werde ich angehen.
LL: Franziska, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg beim Bohren der dicken Bretter!